"Das grenzt an ein Waffenverbot"

In Buchthalen ist das jüngste Vereinsmitglied zwölf Jahre alt, das älteste 92. Zwei der 58 Mitglieder sind Frauen. In der Schützenstube sitzen sie alle zusammen, es gibt Bier, Bratwurst und einen Stammtisch mit einer sauber herausgeschnitzten Zielscheibe in der Mitte. Eine Umfrage hier an den Tischen ergibt ein ziemlich eindeutiges Bild: Fast alle wollen am Sonntag mit Nein stimmen. Auch Patrick Messmer. Der schlanke 35-Jährige schießt, seit er elf Jahre alt ist. Er sagt: "Was da kommen soll, grenzt an ein Waffenverbot. Und alles nur wegen Problemen, die wir in der Schweiz gar nicht haben."

Tatsächlich will die Schweiz ihr Waffenrecht nicht aus freien Stücken ändern. Aber sie ist Mitglied im Schengen-Raum. Weil die EU ihr Waffenrecht 2017 als Reaktion auf die vielen Terroranschläge in europäischen Metropolen verschärft hat, muss die Schweiz nachziehen, wenn sie Schengen-Partner bleiben will - spätestens zwei Jahre später, also jetzt. Regierung und Parlament haben den Änderungen bereits zugestimmt.

Doch die Gegner der Reform - Schützenverbände, Jagdgesellschaften, Waffensammler - haben von ihrem direktdemokratischen Recht Gebrauch gemacht und Unterschriften für eine Volksabstimmung gesammelt. Seither streitet das Land über nichts Geringeres als die Schweizer Identität - und ob der Zugang zu Sturmgewehren dazuzählt oder nicht. Dabei dürfte sich für die Schweizer Sportschützen nur wenig ändern.

Im Kern geht es bei der Reform um drei Punkte: Erstens müssen künftig alle Bestandteile einer Waffe markiert werden. Zweitens soll der Austausch unter den Schengen-Staaten verbessert werden. Und drittens rutschen halbautomatische Waffen mit großen Magazinen - also auch das Sturmgewehr 90 der Armee, mit dem in den meisten Schützenvereinen geschossen wird - in die Kategorie der verbotenen Waffen, für die man eine Ausnahmebewilligung braucht. Allerdings: Die Schweiz hat sowohl für die direkt aus der Armee übernommenen Gewehre als auch für die Waffen der Sportschützen bereits Ausnahmen ausgehandelt.

Würde die EU die Schweiz rauswerfen?

Für regelmäßige Schützen wie Patrick Messmer also eigentlich kein Problem. Doch in der Buchthaler Schützenstube beruhigt das die wenigsten. Sie fühlen sich fremdbestimmt von der EU, befürchten, dass über den Schengen-Verbund bald die nächste Verschärfung kommt. "Wehret den Anfängen!", sagt einer der Älteren. Ein anderer spricht von dem "besonderen Vertrauen" zwischen Regierung und Bevölkerung in der Schweiz, das sich im liberalen Waffenrecht ausdrücke. "Eine Verschärfung bedroht dieses Verhältnis." Und Schengen? Die Buchthaler Schützen glauben nicht, dass die EU Ernst machen und die Schweiz rauswerfen würde. "Dazu hat Europa ein zu großes Interesse daran, dass wir Teil des Schengen-Raums bleiben."

Doch nicht allen Befürwortern des neuen Waffenrechts geht es um Schengen. "Weniger Waffen führen zu weniger Waffengewalt", sagen zum Beispiel die Sozialdemokraten. Sie verweisen auf die hohe Zahl von Schusswaffentoten in der Schweiz: zuletzt über 230 im Jahr, der Großteil Suizide. Misst man die Toten an der Gesamtbevölkerung, nimmt die Schweiz laut einer Recherche des aus dem Jahr 2012 in einem Ranking von Industriestaaten Platz zwei gleich hinter den USA ein. Die Schützen in Buchthalen beeindruckt das nicht. Suizide könne man nicht verhindern, sagen sie. Und: "Wir ticken anders als die Amerikaner."

Im Schießstand nebenan erhält man eine Ahnung davon. Wieder geht eine Runde Feldschießen zu Ende. "Schützen liegen bleiben und entladen", befiehlt eine Männerstimme durchs Mikro, "bitte warten auf Waffenkontrolle." Ein Mann klappert die Schützen auf dem Boden ab, prüft die Gewehre, nickt. Es geht starr nach den Regeln zu in dieser kargen Halle, von Gegröle oder Rumgeballere keine Spur. Es passt ins Bild, dass die letzte Schießerei in der Schweiz bald 20 Jahre lang zurückliegt.

Trotzdem sieht alles danach aus, dass das Ja-Lager am Sonntag gewinnen wird. Umfragen sehen die Befürworter der Reform bei mehr als 50 Prozent. Auch die Schützen in Buchthalen wissen das. Doch dann sagt einer einen sehr schweizerischen Satz, einen, den man sich unter Waffenfreunden anderswo nur schwer vorstellen kann: "Damit müssen wir dann leben."