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Nazi-Gold: Die Hauptspur des Raubgoldes führt in die Schweiz - WELT

Kein anderes Metall löst so extreme Emotionen aus. Gold ist bei Weitem nicht das wertvollste Element des Periodensystems (das soll Californium 252 sein) und erst recht nicht das ökonomisch wichtigste. Dennoch sind für Gold unzählige Kriege geführt worden, treibt die Gier nach Schätzen aus dem gelben Metall immer wieder Menschen zu völlig irrealen Investitionen in Suchoperationen. Die wenigsten davon sind Erfolge und noch weniger lohnen sich.

Auf den Höhepunkt gelangt die Faszinationskraft in der speziellen Form des Raub- und noch genauer Nazi-Goldes. Wann immer Storys über angeblich bevorstehende Funde in die Weltöffentlichkeit dringen, kochen Gerüchte und Hoffnung hoch. Dabei geht allerdings viel durcheinander. Um Klarheit über die Goldgeschäfte des Dritten Reiches zu gewinnen, speziell im Zweiten Weltkrieg, muss man differenzieren. Am besten nach den Quellen, aus denen in der Zeit 1933 bis 1945 gehandeltes Gold stammte.

Auswärtiges Amt, ehemalige Reichsbank und Finanzministerium der DDR, Berlin-Mitte, Berlin, Deutschland, Europa | Verwendung weltweit, Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
Das heutige Auswärtige Amt in Berlin wurde 1934 bis 1940 als Reichsbank gebaut

Quelle: picture alliance / imageBROKER

Erstens gab es Gold, über das die deutsche Reichsbank schon vor dem Jahr 1933 verfügte, das also unzweifelhaft auf legalem Weg erworben worden war. Man kann es sauberes Gold nennen.

Zweitens gab es Gold, das die NS-Regierung Juden und anderen Verfolgten ab 1933 abnahm – ob in Form von Barren, Münzen oder Schmuck, ist unbedeutend. Dafür bietet sich der Name Opfergold an.

Drittens beschlagnahmte die Wehrmacht in fast allen von ihr besetzten Staaten die Goldreserven der dortigen Noten- und vielfach auch der Geschäftsbanken. Das ist Raubgold im eigentlichen Sinne.

Die fürchterlichste Art von Gold im Zweiten Weltkrieg war - viertens - schließlich jenes Edelmetall, das in Form von Schmuck und von Zahngold ermordeten Holocaust-Opfern abgenommen wurde – im Unterschied zum Opfergold kann man es Totengold nennen.

Der Deutschen liebstes Edelmetall legt zu

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Gold gilt als sichere Anlage in unsicheren Zeiten. Gedämpfte Aktienmärkte, schwache globale Wachstumsaussichten und ein schwächelnder Dollar sind nur einige Gründe, warum die Nachfrage nach dem Edelmetall zuletzt wieder gestiegen ist.

Quelle: WELT/ Sebastian Struwe

Nicht nur diese Kategorien, auch andere Angaben gehen munter durcheinander. So verwechselten das britische Außenministerium im Herbst 1996 in einem Bericht über Goldtransaktionen im Zweiten Weltkrieg Wertangaben in Schweizer Franken mit Dollar. Das Ergebnis war viel Verwirrung über den angeblich mehr als viermal höheren Umfang der Goldgeschäfte der Schweiz. Nach wenigen Monate revidierten die Londoner Diplomaten ihren Bericht – doch die völlig überhöhten Zahlen kursieren auch mehr als zwei Jahrzehnte später immer noch als angeblich gesicherte „Wahrheit“.

Dabei lagen die Wechselkurse und Goldpreise im Zweiten Weltkrieg im Wesentlichen fest: Eine Unze Feingold (31,1 Gramm) kostete 34,50 Dollar, ein Kilogramm Feingold 4869,80 Schweizer Franken. Die Relation beider Währungen erwies sich im Wesentlichen als stabil: 4,39 Franken entsprachen einem Dollar.

Eine weitere Schwierigkeit ist, dass Gold gekauft und verkauft wird, dafür aber entweder gar nicht oder nur wenige Meter von einem Tresorfach in ein anderes transportiert werden muss. Viele Staaten lagern auch heute Teile ihres Goldbestandes nicht in den Kellern der eigenen Notenbanken, sondern in Bern oder Zürich, London, Paris oder New York.

Hälfte des deutschen Goldes nun in heimischen Tresoren

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Die Deutsche Bundesbank hat die Verlagerung ihrer Goldreserven aus dem Ausland gut drei Jahre früher abgeschlossen als geplant. Nun liegen 50,6 Prozent des deutschen Goldschatzes in heimischen Tresoren.

Quelle: N24

Das war auch im Zweiten Weltkrieg so. Zusätzlich aber wurde Gold aller vier Kategorien aus Deutschland physisch in die Schweiz transportiert – insgesamt im Werte vom 1,7 Milliarden Schweizer Franken. Es handelte sich also etwa um 349 Tonnen Feingold. Da die Goldreserven des Reiches 1939 durch die enormen Kosten der Aufrüstung praktisch aufgebraucht waren, sogar einschließlich des 1938 in Wien beschlagnahmten österreichischen Edelmetalls, gab es darunter allerdings nur sehr wenig sauberes Gold.

Beim größten Teil des 1940 bis 1945 in die Schweiz transportierten Goldes handelte es sich um Raubgold im engeren Sinne. Insgesamt 201 Tonnen beschlagnahmte die Wehrmacht aus belgischen Notenbankbeständen, in den Niederlanden 122,2 Tonnen sowie in Luxemburg 4,3 Tonnen. Dagegen schaffte es die norwegische Staatsbank, ihre gut 53 Tonnen gerade noch rechtzeitig nach Großbritannien auszulagern. Polen hatte seine 80 Tonnen Gold 1939 nach Paris geschickt. Diese Menge wurde dann später zusammen mit den französischen Beständen in den Senegal gebracht, wo sie dem deutschen Zugriff entzogen blieben.

Reichsbank gold, SS loot, paintings in a Salt mine in Merkers, Germany. April 15, 1945. Photo by the 'Monuments, Fine Arts, and Archives', (MFAA), the U.S. Military commission that rescued items of cultural significance. (BSLOC_2013_9_2) | Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
Blick in die Salzmine von Merkers in Thüringen

Quelle: picture alliance / Everett Colle

Raubgold machte auch den Großteil jener 220 Tonnen aus, die die Reichsbank zwischen dem 6. und dem 11. Februar 1945 in das thüringische Bergwerk Merkers schaffen ließ. Hier wurden sie Anfang April 1945 von US-Truppen sichergestellt und abtransportiert, zusammen mit Banknoten im Wert von einer Milliarde Reichsmark und Fremdwährungsreserven, die in rund tausend Säcken ebenfalls in Merkers gelagert worden waren, sowie wertvollen Kunstwerken.

Den Löwenanteil der in die Schweiz transportierten Barren, nämlich 70 Prozent oder 246,4 Tonnen, kaufte die Schweizerische Nationalbank dem Deutschen Reich gegen Devisen ab. Der Rest ging innerhalb des Depots in Bern unter anderem direkt an Portugal (43,5 Tonnen im Werte von 212 Millionen Schweizer Franken), Schweden (knapp 18 Tonnen oder 87 Millionen Franken) und an die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, die Zentralbank der Notenbanken (58 Millionen). Portugal erhielt das Gold vor allem als Bezahlung für Wolfram-Lieferungen an das Dritte Reich, Schweden für sein Eisenerz.

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Goldbarren im Tresor der Schweizer Nationalbank in Bern am 27.01.1997. Schweizer Banken- und Wirtschaftsvertreter haben sich nach einem Gespräch mit der Regierung entschlossen, einen Fonds für Holocaust-Opfer einzurichten, um den Ruf der Schweiz zu retten. Dies hatten Kritiker als Geste der Wiedergutmachung für das Unrecht gefordert, das die Schweiz Juden und ihren Nachkommen während und nach dem Zweiten Weltkrieg angetan hat. Auf Schweizer Konten sollen noch Guthaben von Holocaust-Opfern in Millionenhöhe liegen. Jüdische Organisationen erheben den Vorwurf, die Schweizer Nationalbank habe der deutschen Reichsbank Gold abgekauft, das zuvor in besetzten Ländern gestohlen worden war, und dabei kräftige Gewinne gemacht. |
Neuer Nazischatz in Schlesien?

Schon diese Werte zeigen, dass die Hoffnung eines polnisch-deutschen Schatzsucher-Teams, in Schlesien einen „Goldzug“ mit bis zu 300 Tonnen Gold zu finden, von vornherein unsinnig waren. Theoretisch möglich wäre zwar, dass ein Schatz mit 28 Tonnen aus zumindest zeitweiligem deutschem Besitz noch versteckt worden wäre, wie ein kürzlich bekannt gewordenes angebliches Tagebuch eines höheren SS-Offiziers nahelegen soll. Doch das würde zugleich bedeuten, dass nahezu das gesamte ohne Nachweis verschwundene Gold zu diesem einen Schatz gehört hätte – ebenfalls unglaubwürdig.

Wie groß der Anteil an Opfergold war, wird man nie genau feststellen können. Sehr viel Schmuck wurde in Deutschland Juden und ab 1939 in den besetzten Ländern Juden wie Nichtjuden abgenommen. Größere Teile davon sind sicherlich versickert, bevor sie offiziell registriert wurden.

Spoliation d'oeuvres d'art sous le troisieme Reich (Nazi plunder) : Pres de Kaiseroda ( Allemagne) 15 avril 1945 : Un soldat americain de la 90e DI de la IIIe US Army et le Major William C Skelton, un officier du Gouvernement Militaire du 12e US Corps, devant des piles de caisses contenant des oeuvres d'art volees par les nazis et retrouvees dans la mine de sel de Merkers avec la reserve d'or de la Reichbank d'une valeur de 200 tonnes ©Usis-Dite/Leemage | Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
Kisten mit Wertsachen stehen gestapelt am Rand des Schatzraumes von Merkers

Quelle: picture alliance / Usis-Dite/Lee

Bei der Aktion Reinhardt, dem Massenmord an fast zwei Millionen Menschen in den drei Vernichtungslagern Belzec, Sobibor und Treblinka im deutsch besetzten Zentralpolen, wurden laut offizieller Abrechnung mehr als 1800 Kilogramm Gold und 10.000 Kilogramm Silber gesammelt. Mit sehr großer Wahrscheinlichkeit war es wesentlich mehr, doch die SS-Schergen dürften reichlich für sich abgezweigt haben.

Auch die Größenordnung des Totengoldes ist nur vage bekannt. Ein französischer Zahnarzt, der in Auschwitz im Sonderkommando arbeitete, gab als Zeuge in einem Prozess bald nach dem Krieg eine Schätzung von 17 Tonnen ab. Es ist freilich völlig unklar, worauf diese Schätzung beruht.

Sicher kann man hingegen sein, dass der SS-Kassenleiter Bruno Melmer ab dem 20. Mai 1943 in 76 einzelnen Lieferungen 2580 Kilogramm bei der Reichsbank ablieferte. Dabei handelte es sich vor allem um Schmuckstücke und um einen Anteil Zahngold. Wie groß dieser Anteil war, ist ungewiss, denn die Reichsbank schmolz das Zahngold mit Raubgold zu neu nummerierten Barren um. Bis 1942 war das Zahngold aus den Todeslagern der zahnärztlichen Abteilung der SS zugewiesen worden, die damit Füllungen für SS-Leute herstellte.

Pres de Weimar (Allemagne) debut mai 1945. Des soldats de la 1ere US Army examinent et trient les bijoux, les alliances, dents en or, montres et lunettes trouves par la 6e DB de la IIIe US Army lors de la liberation du camp de concentration de Buchenwald. ©Usis-Dite/Leemage | Keine Weitergabe an Wiederverkäufer.
US-Soldaten sortieren 1945 Schmuck, der wohl aus deutschen KZs stammt

Quelle: picture alliance / Usis-Dite/Lee

Eine Historiker-Kommission um den Zürcher Wirtschaftshistoriker Jean-François Bergier untersuchte 1996 bis 2002 unter anderem die Goldgeschäfte der Schweizerischen Nationalbank im Zweiten Weltkrieg. Nach ihrem Abschlussbericht kaufte die Schweiz zwischen Januar 1943 und Juni 1944 von der Reichsbank Barren von insgesamt knapp 120 Kilogramm Gewicht, die nachweislich aus Gold bestanden, das Holocaust-Opfern in Vernichtungslagern abgenommen worden war. Der damalige Wert dieses Totengoldes betrug 581.899 Schweizer Franken – also nur einen winzigen Bruchteil der gesamten Goldlieferungen.

Doch viele Fragen bleiben offen, was das Nazi-Gold angeht. So erhielten die von der Wehrmacht beraubten Staaten in Westeuropa große Teile ihres Goldes zurück – wohl nicht aber die im Osten. Die Schweiz musste im Washingtoner Abkommen von 1946 zugestehen, Strafzahlungen von 250 Millionen Dollar für ihre Geschäfte mit dem Dritten Reich zu entrichten. Doch dieses Abkommen wurde nur zum Teil umgesetzt.

Vieles blieb im aufkommenden Kalten Krieg stecken; schon anderthalb Jahre nach der Kapitulation Nazi-Deutschlands war an Verhandlungen über die Reste des Raubgoldes nicht mehr zu denken. Allein das wird die Mythen über riesige Schätze von Nazi-Gold am Leben halten.

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https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article191728659/Raubgold-Die-Hauptspur-des-Nazi-Goldes-fuehrt-in-die-Schweiz.html

2019-04-11 09:56:00Z
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