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Schweiz: Deutsche Steuerhinterzieher verzichten auf Kickbacks - WELT

Hubert Schwärzler ist ernüchtert. Gerade einmal 280 Deutsche haben sich in den vergangenen zwei Jahren bei ihm gemeldet, um Geld von Schweizer Banken zurückzuholen. 280 aus der gewaltigen Masse von mehr als 120.000 Menschen, die es hätten sein können. So hoch ist die Zahl der deutschen Steuerhinterzieher, die sich in den vergangenen Jahren selbst angezeigt und das im Nachbarland versteckte Vermögen nachversteuert haben. Viele davon hätten Anspruch auf Geld, das er für sie erstreitet.

Schwärzler ist Chef des in der Ostschweiz sitzenden Dienstleisters Liti-Link. Er hat sich darauf spezialisiert, Entschädigungszahlungen für Kunden von eidgenössischen Vermögensverwaltern zu erstreiten. Wer über Jahre hinweg beispielsweise 250.000 Schweizer Franken, also rund 220.000 Euro, auf einem Schweizer Konto hatte, kann laut Liti-Link auf mögliche Ansprüche in Höhe von 10.000 Franken verweisen. Bei einer Million Franken sind es schon gut 40.000 Franken.

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Phantomaktien

Diese Summen kommen zusammen, weil Banken das Geld zusätzlich von Fondsgesellschaften und anderen Produktanbietern für ihre Vertriebsdienste kassierten, ohne dass die Kunden etwas davon mitbekamen. Während diese versteckten Zahlungen in Deutschland unter dem Wort Kickbacks bekannt sind, sprechen die Schweizer von Retrozessionen. Das Bundesgericht in Lausanne stellte 2006 und 2012 klar, dass diese unzulässig sind, das Geld also den Kunden gehört.

Die große Rückforderungswelle blieb aus

Solange es sich bei den Kunden um Steuerbetrüger handelte, hatten die Banken jedoch nichts zu befürchten. Schließlich war es Schwarzgeld, das auf ihren Konten lagerte, und jeder Deutsche war froh, wenn er nicht aufflog. Doch nach der Selbstanzeigenwelle zu Beginn des Jahrzehnts, losgetreten vom Ende des Bankgeheimnisses, von Steuer-CDs und auch durch den Druck, den Schweizer Banken auf ihre Kunden ausübten, gibt es keinen Grund mehr für die Zurückhaltung. Doch bis heute blieb die große Rückforderungswelle aus.

„Viele Selbstdeklarierer aus Deutschland haben Angst vor der Schweiz“, sagt Schwärzler. Viele hätten nach der Selbstanzeige mit dem Kapitel Schweiz abgeschlossen, seien immer noch eingeschüchtert. Auch das Wort „Retrozessionen“ habe sich als hinderlich erwiesen, das würden selbst Steuerexperten in Deutschland nicht kennen. Dabei hält sich der bürokratische Aufwand in Grenzen. Kein Kunde muss die Wertpapierpositionen der vergangenen Jahre lückenlos kennen. Es reiche eine Passkopie mit Name und Adresse, sagt er. Die Banken seien laut Datenschutzgesetz verpflichtet, alle notwendigen Informationen zusammenzustellen.

Quelle: Infografik WELT

Zudem spielt die Schweizer Rechtssprechung spezialisierten Dienstleistern wie Liti-Link, ein anderer ist die De Jure AG in Zürich, in die Hände. So stellte der Bundesgerichtshof 2017 klar, dass Kunden die Retrozessionen rückwirkend nicht nur für die vergangenen fünf – wie von Banken gerne behauptet –, sondern für die vergangenen zehn Jahre verlangen können. Das bedeutet, dass es derzeit noch um die Jahre 2009 bis 2012 geht. Die einbehaltenen Zahlungen aus der Zeit davor sind verjährt, nach 2012 hörten zumindest die großen Schweizer Adressen auf, die versteckten Vergütungen der Fonds- und Zertifikateanbieter einzubehalten.

Den Banken kommt die Zurückhaltung der geläuterten Kunden, jetzt noch Geld zu fordern, natürlich gelegen: Je mehr Zeit vergeht, desto mehr Ansprüche verjähren. Das Thema wird gerne heruntergespielt. Die Kunden könnten sich „jederzeit mit einer schriftlichen Anfrage an ihre Kundenberater“ oder an die Bank selbst wenden, heißt es bei der UBS. Ähnlich klingt das bei der Zürcher Kantonalbank und der Bank Julius Bär.

Am Ende läuft es oft auf einen Vergleich hinaus. Schwärzler beziffert die Rückzahlungsquote mit 80 Prozent plus fünf Prozent Verzugszinsen. Vom Nettogewinn, nach Abzug der Anwaltskosten, behält Liti-Link 35 Prozent ein, bei De Jure sind es laut Internetseite 50 Prozent. Einige Tausend Franken bleiben den Kunden dennoch.

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https://www.welt.de/finanzen/article191578929/Schweiz-Deutsche-Steuerhinterzieher-verzichten-auf-Kickbacks.html

2019-04-09 09:24:00Z
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