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Wahl in der Schweiz: Nidwalden droht ein Siegeszug der Rechtspopulisten | Politik - fr.de

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Im Schweizer Kanton Nidwalden kann Peter Keller von der Schweizerischen Volkspartei (SVP) bei der Wahl mit 80 Prozent der Stimmen rechnen.

Der Kandidat lehnt sich an einen dicken Strohballen. Mit der linken Hand umgreift Peter Keller ein rot-weißes Fähnchen des Kantons Nidwalden. Jetzt knipst der Nationalrat sein Lachen an. Wahlkampf 2019, Fotosession für Facebook, Fotosession für die Fans. Einige Meter neben Keller lodert ein Feuer für die Bratwürste. Apfelsaft und Bier stehen auf dem Tresen. Die Familie Waser hat ihren Bauernhof für den „öffentlichen Anlass“ der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei herausgeputzt. Keller, der SVP-Kandidat, ergreift das Wort: „Liebe Nidwaldnerinnen, liebe Nidwaldner.“

Der Endvierziger begrüßt auch das Huhn Mathilda, das auf dem Waser-Hof herumläuft. „Das ist Heimat hier“, tönt Keller mit ausholender Geste – und fasst mit diesem einfachen Satz das Gefühl seiner meist ergrauten Anhänger zusammen. Keller ist Historiker und Autor der SVP-nahen „Weltwoche“. Er war Gymnasiallehrer und Redenschreiber des SVP-Übervaters Christoph Blocher. Und Keller weiß, welche Töne er anschlagen muss, um die Herzen seines Publikums zu erwärmen. „Was spornt mich an?“, fragt er, um gleich die Antwort zu geben: „Nidwalden.“ Applaus. Ja-Rufe.

Parlamentswahlen in der Schweiz: SVP kommt in Nidwalden an

Für die Keller-Sympathisanten stand schon vor der Rede fest: Der „Peter“ erhält bei den Schweizer Parlamentswahlen am Sonntag, 20. Oktober, ihre Stimme. „Er ist einfach ein Supertyp und sagt, was wir denken“, schwärmt Joe Blättler aus dem nahen Hergiswil. Selbst bei den ganz Jungen kommt Keller an. Der 14-jährige Sohn der Bauernhofeigentümer würde auch Keller wählen. „Wenn ich nur dürfte. Alle finden Keller gut“, schwärmt der Waser-Bub.

Willkommen in Nidwalden. Willkommen in der Hochburg der Schweizerischen Volkspartei, einer der erfolgreichsten rechtspopulistischen Parteien Europas in diesem Jahrhundert. Allerdings muss die Anti-EU- und Anti-Einwanderungspartei bei den anstehenden Schweizer Wahlen mit Verlusten rechnen. Das sagt zumindest das Wahlbarometer der Forschungsstelle Sotomo in Zürich voraus. 

Bei den letzten Wahlen zur großen Kammer des eidgenössischen Parlaments, dem Nationalrat, im Jahr 2015, erzielte die SVP das beste Ergebnis ihrer Geschichte: 29,4 Prozent. Damit vergrößerte sie noch einmal ihren seit 2003 bestehenden klaren Vorsprung auf alle anderen politischen Kräfte Helvetiens. Und bei dieser denkwürdigen Wahl vor vier Jahren häufte Peter Keller im ländlichen, konservativen Nidwalden 82,8 Prozent der Stimmen an – kein anderer Kandidat trumpfte derart auf und zog mit so viel Rückenwind in das Parlament in Bern ein.

Nidwalden (Schweiz): Rechtspopulist Peter Keller vor Wiederwahl

„2015 war eine Ausnahmesituation“, stapelt Keller tief. Der einzige Gegenkandidat, ein ortsfremder „linker“ Journalist aus dem großen Zürich, habe die Kantone Nidwalden und Obwalden verwechselt. „Das kam bei den Leuten dann nicht so gut an“, erinnert sich Keller und zuckt die Schultern. Die 43 000 Nidwaldner halten viel auf ihren Minikanton. Gelten doch Unterwalden (Nidwalden und Obwalden), Schwyz und Uri als die Wiege der Eidgenossenschaft von 1291.

Noch heute pflegen die Menschen ihre uralten Brauchtümer, vom Alpabzug der Kühe über das Schwingen, einem rustikalen Kampfsport, bis hin zum Jodeln. Auch wirtschaftlich geht es den Menschen in diesem Teil der Urschweiz prächtig: Gerade einmal 186 Männer und Frauen in Nidwalden hatten im September keinen Job, das entspricht einer Arbeitslosenquote von weniger als einem Prozent.

Keller surft auf der Welle des allgemeinen Wohlbefindens. „Wir haben alles“, ruft er mit einem gewinnenden Grinsen in die Wahlparty. Er teilt noch aus, gegen „Brüssel“ und Ausländer, die „die sich nicht integrieren“. Und wieder applaudiert die Runde. Kaum jemand zweifelt daran, dass die Nidwaldner den amtierenden Nationalrat mit überwältigender Mehrheit wiederwählen.

Wahl in der Schweiz: SVP profitiert in Nidwalden von Schwäche der Gegner

Zugute kommt dem SVP-Matador auch die Schwäche seiner Gegner. Nur ein anderer Kandidat in Nidwalden fordert Keller heraus: Ein früherer Regierungsrat der Christlichdemokratischen Volkspartei. Und auf der linken Seite? „Die Linken spielen hier keine große Rolle“, sagt ein SVP-Anhänger auf der Wahlparty und macht eine wegwerfende Handbewegung. 

Während das Spiel für Keller und die SVP in Nidwalden fast schon gelaufen scheint, müssen Politiker der Rechtspartei in anderen Teilen Helvetiens um ihren Einzug ins Parlament zittern. Nach den Erhebungen der Forscher von Sotomo bleibt die SVP zwar stärkste Kraft, sie muss aber Verluste von mehr als zwei Prozentpunkten hinnehmen. Das liegt zumal an den Themen, die den Menschen in der gesamten Schweiz unter den Nägeln brennen.

Klimawandel beherrscht Debatte: Grüne auf Kurs bei Wahl in der Schweiz

„Vor vier Jahren hat man über Asyl und Flüchtlinge geredet“, betont Michael Hermann, Leiter von Sotomo, in einem Interview mit dem Schweizer Fernsehen SRF. Dabei habe es sich um ein „rechtes Thema“ gehandelt – wovon die SVP profitierte. In diesem Jahr aber beherrscht der Klimawandel viele Debatten. 

Das nützt vor allem den Grünen und den Grünliberalen. Beide Parteien befinden sich nach Hermanns Erhebungen auf „Rekordkurs“ und könnten zusammen 18 Prozent einfahren – das wäre das beste Resultat für Ökoparteien in der Schweizer Geschichte.

Nicht nur Nidwalden: Hintergrund zur Wahl in der Schweiz am 20. Oktober 

Die Schweizer wählen am Sonntag, 20. Oktober, nach vier Jahren ein neues Parlament, das aus dem Nationalrat und dem Ständerat besteht. Der Nationalrat, die große Kammer, umfasst 200 Abgeordnete oder Nationalräte, und soll das gesamte Volk repräsentieren. Im Ständerat, der kleinen Kammer, auch Stöckli genannt, sitzen 46 Ständeräte. 

Jeder Kanton entsendet zwei Ständerate, den sechs kleinen Kantone wie Nidwalden steht nur ein Ständerat zu. Beide Kammern wählen im Dezember die Regierung, den siebenköpfigen Bundesrat. 

Der Bundesrat ist nach dem Prinzip der Konkordanz organisiert, die vier großen Parteien sind vertreten: Zwei Bundesräte der Schweizerischen Volkspartei SVP, zwei Räte der liberalen FDP, zwei Räte der Sozialdemokraten SP und ein Rat der Christlichdemokratischen Volkspartei. Die Schweizer Regierung verfügt nicht über die Machtbefugnisse wie Regierungen anderer westlicher Länder. Zum einen kennt die Eidgenossenschaft keinen Regierungschef mit Richtlinienkompetenz wie etwa in Deutschland. Zum anderen haben die Schweizer Bürger ein großes Mitspracherecht über Volksabstimmungen und Referenden. 

Von Jan Dirk Herbermann

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2019-10-19 05:14:00Z
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