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Strukturwandel: Ist das Schweizer Modell am Ende? - WELT

Als der ehemalige Bundesbankpräsident Axel Weber zur Schweizer UBS wechselte, war das für viele Anhänger der deutschen Stabilitätskultur ein Schock. Das Geldhaus war durch Skandale und Fehlspekulationen schwer angeschlagen. Doch das änderte sich unter Weber.

Als Verwaltungsratspräsident setzte er harte Einschnitte im Investmentbanking durch, die Bank trennte sich von zwei Dritteln ihres Bilanzvolumens und konzentrierte sich wieder auf ihr ursprüngliches Kerngeschäft: Die Verwaltung des Vermögens reicher und institutioneller Anleger.

Das machte die UBS binnen kurzer Zeit zum Vorzeigebeispiel für die gelungene Transformation einer europäischen Bank in dem ohnehin glänzenden Schweizer Markt. Dass Weber mit einem Jahreseinkommen von umgerechnet bis zu fünf Millionen Euro besser entlohnt wird als jeder andere Vorsitzende eines europäischen Kontrollgremiums schien da in Ordnung zu sein. Er hatte alles richtig gemacht.

Niedrigzinsen, Regulierung, digitaler Wandel

Mittlerweile ist der Blick auf die Bankenwelt im Alpenland nicht mehr ganz so verklärt. Die Perspektiven für die Institute verdüstern sich zusehends, die Aktienkurse der börsennotierten Banken sind bereits teils deutlich gefallen, Investoren rebellieren immer häufiger gegen das Management. Das scheint sich vor allem mit sich selbst zu beschäftigen.

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Dabei setzen Themen wie Niedrigzinsen, Regulierung und digitaler Wandel das Geschäft ähnlich wie in Deutschland unter Druck – und zwar besonders im Kerngeschäft der Vermögensverwaltung. Bisher haben die Schweizer Manager und Bankiers keine überzeugende Antwort auf diese Herausforderungen gefunden.

Dabei hatten sich die Finanzinstitute in und um Zürich und Genf lange erstaunlich resistent gezeigt. Schließlich mussten sie nicht nur die Finanzkrise, sondern auch den Fall des Bankgeheimnisses überstehen. Anders als erwartet zogen die Kunden deshalb zunächst nicht in großem Stil Geld ab, sondern bunkerten es weiter in der Schweiz.

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Sie vertrauten auf die Expertise der dortigen Finanzwirtschaft – und auf den Franken als sicheren Hafen in all den Währungskrisen. Das vermeintliche Banken-Paradies lockte in den Folgejahren weiteres Spitzenpersonal an – allen voran Commerzbankchef Martin Blessing, der nach Jahren der Schadensverwaltung bei dem teilverstaatlichten Institut als Vorstand bei der UBS wieder Spaß am Job finden wollte.

Aktionäre verweigerten die Vorstandsentlastung

Mittlerweile ist der nicht mehr ungetrübt. Da die Ergebnisse der vergangenen beiden Quartale schlechter ausfielen als erwartet, ist der Aktienkurs der größten Schweizer Bank zuletzt deutlich gefallen. Seit dem Höchststand im Sommer 2015 ging es mit den Papieren der UBS um mehr als 40 Prozent nach unten.

Die allgemeine Schwäche paart sich mit schlechten Nachrichten – so verurteilte ein französisches Gericht die Bank vor wenigen Wochen wegen Steuervergehen zur Zahlung von insgesamt 4,5 Milliarden Euro. Die UBS ist dagegen in Berufung gegangen. Anfang Mai verweigerten die Aktionäre der Bankführung beim jährlichen Treffen wegen des Missverhältnisses von Gehalt und Leistung dann sogar die Entlastung – im Vergleich dazu verhielten sie sich selbst bei der Deutschen Bank so zahm wie bei einem Kaffeekränzchen.

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Dass sich die Aussichten nicht nur für die UBS verdunkeln, hat kürzlich eine Untersuchung der Beratung EY ergeben. 25 Prozent der von ihr befragten Bankmanager in der Schweiz erwarteten, dass sich ihr Geschäft 2019 negativ entwickeln werde – acht Prozentpunkte mehr als im Jahr zuvor. Als größte Belastung empfanden sie die negativen Zinsen – mit einer Vorgabe von minus 0,75 Prozent haben die Schweizer Zentralbanker sogar noch ihre Kollegen von der EZB unterboten.

Die ungünstigen Rahmenbedingungen wiegen besonders schwer, wenn auch noch interne Querelen hinzukommen. Bei der UBS wird seit Jahren immer mal wieder über mögliche Nachfolger des langjährigen Konzernchefs Sergio Ermotti debattiert.

Stresstest nur unter Auflagen bestanden

Bei der Credit Suisse, der Nummer Zwei im Land, ist der Kampf an der Spitze offenbar derart eskaliert, dass der Kronprinz Ibal Khan vor wenigen Tagen plötzlich das Haus verlassen hat. Er werde seine Karriere außerhalb des Instituts fortsetzen, hieß es. Die Tatsache, dass die US-Tochter den Stresstest der amerikanischen Notenbank Fed nur mit Auflagen bestand, hat ebenfalls kein gutes Licht auf die zweitgrößte Schweizer Bank geworfen. Die Aufseher bemängelten die Kapitalplanung des Instituts.

Dabei hatte sich die Credit Suisse in den vergangenen Jahren deutlich stabilisiert. Wenige Monate nach seinem Amtsantritt im Juli 2015 hatte ihr aktueller Vorstandsvorsitzende Tidjane Thiam ein auf drei Jahre angelegtes Restrukturierungsprogramm aufgelegt. Dem Beispiel UBS folgend, schrumpfte er das Kapitalmarktgeschäft, reduzierte die Risiken und pumpte das schwache Eigenkapital durch zwei Erhöhungen im Milliardenumfang auf. Als besonders stark erwiesen sich die internationale Vermögensverwaltung sowie die Schweizer Einheit der Bank, wo sich die Credit Suisse vor allem auf das Geschäft mit Privat- und Firmenkunden stützt.

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Doch das erprobte Erfolgsrezept funktioniert nicht mehr so einfach. So kopieren viele andere europäische Institute das eidgenössische Modell und bauen das Geschäft mit den Reichen aus, weil dieses als stabil und kapitalschonend gilt. Auch für die Deutsche Bank ist es eines der wenigen Wachstumsfelder. „Der Wettbewerb hat deutlich angezogen und die Margen schrumpfen“, sagt Martin Faust von der Frankfurt School of Finance und Management.

Zudem würden die Kunden immer preisbewusster. „Sie greifen immer weniger auf teure maßgeschneiderte Angebote bei der Geldanlage zurück. In der Folge schrumpfen die Erträge“, sagt Faust. Hinzu kommt, dass die Schweiz zunehmend an Exklusivität verliert. Immer mehr Superreiche aus Arabien bringen ihr Geld lieber nach Singapur.

Diskret gelegene Villen mit Ausblick

Gleichzeitig sind die Kosten aufgrund der stärkeren Regulierung sehr hoch. „Gerade im Asset Management ist Größe aufgrund der hohen Fixkosten wichtig. Aber bei fallenden Aktienkursen sinkt das verwaltete Vermögen“, sagt Faust. Daher sei es kein Wunder, dass über eine Fusion von UBS und DWS spekuliert worden sei, um zumindest Größenvorteile nutzen zu können. Faust erwartet, dass es in diesem Segment zu Konsolidierung kommen werde.

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Besonders heftig setzt die Regulierung den kleinen Schweizer Privatbanken traditioneller Prägung zu. In diskret gelegenen Villen, oft mit Ausblick auf einen idyllischen See, beschäftigen viele nur eine zweistellige Zahl von Mitarbeitern.

Seit der Jahrtausendwende ist jede dritte Bank verschwunden, Ende 2017 waren noch 253 Institute in der Schweiz am Markt. Ähnlich wie viele Sparkassen in Deutschland schlossen sich die meisten mit Wettbewerbern zusammen, um mit so widerstandsfähiger zu sein. Experten erwarten, dass sich der Prozess weiter beschleunigen wird. Mit der Idylle ist es dann endgültig vorbei.

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2019-07-06 14:04:00Z
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