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Immobilien: Wohnen in der Schweiz: Zwei Zimmer, Küche, Atomschutzbunker - Handelsblatt

Altstadt von Zürich

Wer so pittoresk wohnen will, muss es sich leisten können.

(Foto:& Aurora PhotosTamboly Photodesign)

Wer in Zürich eine Wohnung sucht, braucht Nerven aus Stahl: In der Schweizer Militärkomödie „Achtung, Fertig, WK!“ meldet sich der Filmheld sogar zum Wehrdienst, nur um für sich und seine Freundin ein Dach über dem Kopf zu finden. Denn das gewünschte Mietshaus bekommt der Kriegsdienstverweigerer nur, wenn er seine Armeezeit nachholt – was natürlich mächtig schiefgeht.

Zur Waffe muss man als Neu-Züricher bei der Wohnungssuche nicht unbedingt greifen, aber ein gewisses Maß an Tapferkeit hilft. Die Lebensqualität in der größten Stadt der Schweiz ist zwar enorm. Doch Wohnen hat hier seinen Preis und bringt einige helvetische Besonderheiten mit sich.

Natürlich kann man sich beklagen, dass ein einfacher Milchkaffee am Paradeplatz umgerechnet mehr als fünf Euro kostet. Aber das ist der sicherste Weg, sich als Deutscher so richtig unbeliebt zu machen. Auch bei den Mieten heißt die Devise: tapfer bleiben. In Zürich kostet eine Dreizimmerwohnung je nach Lage zwischen 1600 und 3200 Franken, also 1500 bis 3000 Euro im Monat. Kalt, wohlgemerkt.

Die Schweiz ist nun mal eines der teuersten Länder der Welt, und die Lebenshaltungskosten in Zürich sind laut einer Studie des „Economist“ sogar höher als in New York. Dafür kann man im Winter mit der S-Bahn direkt bis zum Skilift fahren, ohne schief angeguckt zu werden – versuchen Sie das mal am Big Apple!

Im Sommer lädt dagegen der glasklare Zürichsee zum Baden mit Alpenpanorama ein. Es gibt glückliche Züricher, die morgens ihre Sachen in einen wasserdichten Beutel packen und zur Arbeit schwimmen. Allerdings: Die schönsten Wohnungen (sanierter Altbau, Dachterrasse, Seeblick) gehen natürlich unter der Hand weg. Glücklich kann sich schätzen, wer von Freunden den entscheidenden Tipp bekommt.

Wo die Expats wohnen

Am See, am Berg, mondän oder multikulti: Die zwölf Kreise der Stadt haben ihren eigenen Charakter. Viele Expats wohnen im Seefeld im Kreis 8. Das macht es aber auch entsprechend teuer – und wenn Sie mich fragen, ein bisschen seelenlos.

Wer hip ist oder sich dafür hält, wohnt dagegen in der Nähe der berüchtigten Langstraße. Die Vergnügungsmeile passt so gar nicht zum Saubermannimage von Zürich, von dem James Joyce einmal gesagt haben soll, dass man dort „eine auf der Bahnhofstraße ausgeschüttete Minestrone ohne Löffel wieder aufessen könnte“.

Auf der Langstraße mit ihren vielen Bars und Bordellen empfiehlt sich dieses Experiment nicht zur Wiederholung. Leider teilt das Quartier längst das Schicksal anderer Kultviertel: Erst kamen die Künstler und Studenten, dann die Immobilienentwickler. Aber keine Sorge: Es gibt noch immer einen Kiosk, an dem bis frühmorgens frisches Bier gezapft wird.

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Ich wohne dagegen im „Züri Drüü“, dem Kreis 3. Das ehemalige Arbeiterviertel am Fuß des Uetlibergs ist eine eher ruhige Wohngegend. Lärm macht hier nur die Kirchturmuhr. Trotzdem sind es bis zur Innenstadt mit der Straßenbahn, exgüsi: „dem Tram“, nur zwölf Minuten. Dank des exzellenten Nahverkehrsnetzes kommt die Mehrheit der Züricher Haushalte ohne Auto aus, was sich angesichts der hohen Parkplatzkosten ohnehin empfiehlt. Dank Tram, Bus und Bahn sind auch die Vororte von Zürich perfekt angebunden. Günstige Wohnungen sucht man aber auch dort meist vergeblich.

Die Situation auf dem Schweizer Wohnungsmarkt ist paradox: Es gibt ein Überangebot, doch in den Zentren herrscht Knappheit. Rund 75 000 Wohnungen stehen leer – das entspricht einer Geisterstadt in der Größe von Bern. Doch diese Wohnungen befinden sich in ländlicheren Regionen, häufig mit schlechter Verkehrsanbindung.

Die enormen Leerstände in der Peripherie sind ein Nebeneffekt der Negativzinsen der schweizerischen Nationalbank, die ihrerseits „anhaltende Ungleichgewichte“ auf dem Immobilienmarkt kritisiert. Das Problem: Auf der Suche nach renditeträchtigen Anlagen haben Banken, Versicherer und Pensionskassen reihenweise Mehrfamilienhäuser am Bedarf vorbei finanziert.

Im Einzugsgebiet von Städten wie Bern, Genf, Basel oder Zürich ist Wohnraum dagegen notorisch knapp. Abhilfe ist kaum in Sicht: Zwar rechnen die Immobilienexperten der Großbank Credit Suisse damit, dass die Angebotsmieten in diesem Jahr um rund 1,2 Prozent sinken werden. Aber: „In den Großzentren bleibt die Marktlage weiter angespannt“, so die Experten.

Hohe Hürden für Ausländer

So beantwortet sich auch die Frage „kaufen oder mieten“ angesichts der hohen Preise häufig von selbst. Rund zwei Drittel der Schweizer wohnen zur Miete. Vor allem in Ballungszentren sind Eigentumswohnungen oder gar Häuser so gut wie unbezahlbar. Wer als Ausländer Grund erwerben möchte, braucht zudem eine gültige Aufenthaltsbewilligung – die berüchtigte „Lex Koller“ soll eine „Überfremdung des Bodens“ verhindern. Es ist nicht die einzige helvetische Besonderheit, mit der sich Neu-Schweizer auseinandersetzen müssen.

Das fängt schon bei den Vokabeln an: Die Kaution heißt hier „Depot“, die Kaltmiete ist der „Mietzins“, und während sich deutsche Vermieter eine Schufa-Auskunft wünschen, verlangen Schweizer den „Betreibungsregisterauszug“. Wer umzieht, der „zügelt“ – und das geht oft nur zu festen Terminen, die sich von Kanton zu Kanton unterscheiden. Woher der Brauch stammt, ist umstritten. Der Legende nach sollen früher die Bauern nur im Frühling und Herbst genügend Zeit gehabt haben, um ihre Sachen zu packen. Übliche Termine sind etwa der 31. März und der 30. September.

Abweichungen sind möglich, und mitunter treibt die Angebotsknappheit bizarre Blüten. Ein Vermieter erklärte mir bei meiner Wohnungssuche, dass er seine Wohnung grundsätzlich nur für mindestens zwei Jahre vermietet, weil ihm die häufigen Wechsel zu viel Arbeit machen. Aus dem gleichen Grund hatte er sämtliche Böden verfliesen lassen, sodass die Wohnung wie ein einziges Badezimmer hallte.

Zum Glück hatte mich eine Schweizkennerin gewarnt und mir viel Ärger erspart, weshalb ich ihren politisch nicht ganz korrekten Ratschlag an dieser Stelle weitergeben will: „Hüten Sie sich vor älteren Vermietern mit grau meliertem Haar“, sagte sie. „Das sind die Schlimmsten, denn sie haben nichts mehr zu verlieren!“

Meist bekommt man die Besitzer einer Wohnung als Mieter aber gar nicht zu Gesicht, denn die Abwicklung übernimmt die sogenannte Liegenschaftsverwaltung: Sie organisiert Besichtigungstermine, übernimmt den Papierkram und dient bei Problemen als Ansprechpartner.

Und noch etwas ist anders als in Deutschland: Wer sich für eine Wohnung bewirbt, braucht Referenzen. Auf dem Bewerbungsbogen nennt man den jetzigen Vermieter und den Arbeitgeber. Sie sollen bezeugen, dass man verlässlich ist und keinen Ärger macht, sprich helvetische Kerntugenden befolgt.

Das eidgenössische Harmoniebedürfnis kann absurde Ausmaße annehmen: Vor einigen Jahren geriet ein Mieter in die Schlagzeilen, weil er eigenmächtig die Fußmatte vor seiner Tür tauschte – zum Ärger des Vermieters. Der Vorwurf: Der Fußabtreter mit dem Comic-Hund Snoopy störe das einheitliche Erscheinungsbild im Haus. Snoopy musste wieder ausziehen.

Ärger vermeiden lautet auch die oberste Devise in der Konfliktzone Waschkeller. In der Schweiz ist es nämlich auch in gehobenen Wohnlagen durchaus üblich, dass sich Mieter gemeinsam Waschmaschine und Trockner teilen. Das funktioniert nur, wenn man sich penibel an den Waschplan hält: In manchen Häusern gibt es feste Waschtage, bei uns kann man sich einfach in eine Liste eintragen. In jedem Fall sollte man die Regeln befolgen, denn die sonst so gemäßigten Schweizer geraten hier durchaus in Rage. Überliefert sind Beleidigungen, kleinere Handgreiflichkeiten – und mindestens eine Massenschlägerei.

Bunker im Keller

In Schweizer Häusern warten noch andere Überraschungen. Unser Keller ist Abstellkammer und Bunker in einem. Dank verstärkter Stahlbetonwände, einer mehreren Hundert Kilo schweren Tür und eines Luftfilters soll der Keller sogar einen Atomschlag überstehen. Die Schutzraumpflicht ist ein Relikt des Kalten Krieges. Eine geplante Abschaffung wurde nach der Atomkatastrophe von Fukushima verworfen. Die Schweiz betreibt übrigens auch eines der ältesten Atomkraftwerke der Welt.

Nicht atomschlagsicher, aber dafür unheimlich praktisch sind die fest eingebauten Wandschränke, die in vielen Schweizer Wohnungen zum Standard gehören. Staubsauger, Putzutensilien und Krimskrams lassen sich hier vor neugierigen Besuchern verstecken. Auch in einem geordneten Staat wie der Schweiz braucht es kleine Inseln der Unordnung, „wenn auch im Geheimen“, wie schon der Schweizer Schriftsteller Friedrich Dürrenmatt feststellte.

Üblich ist in der Schweiz übrigens auch, dass die Einbauküche fest zur Wohnung gehört. Das lässt sich aber verkraften, denn die verbauten Geräte sind meistens hochwertig. Wer einzieht, braucht keine neue Küche zu kaufen – und beim Auszug entfallen die leidigen Verhandlungen mit dem Nachmieter.

Auch Renovierungsarbeiten sind normalerweise Vermietersache. Das Streichen der Wände bleibt einem beim Auszug also meistens erspart, doch dafür kommt man am Putzen nicht vorbei: Beim Auszug wird eine „Grundreinigung“ fällig.

Der Name führt in die Irre, denn es muss nicht „besenrein“ sein, sondern absolut sauber: Die Armaturen müssen entkalkt, der Fettfilter getauscht und die Rollläden gewischt werden. Es soll Vermieter geben, die sogar das Innere des Spülkastens kontrollieren. Wer sich die Arbeit sparen will, kann eine spezialisierte Firma beauftragen. Das aber kostet schnell 1000 Franken und mehr. So ist das mit Zürich: Sauberkeit hat ihren Preis.

Mehr: Wo die Preise für Luxusimmobilien auf der Welt am stärksten steigen.

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2020-03-07 08:55:48Z
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